Liebe Freunde und Freundinnen des KlosterGutes,

das Jahr neigt sich dem Ende zu und es ist – weltweit gesehen – kein ruhiger Jahresausklang in Sicht. Umso stärker ist jedeR Einzelne gefordert, Frieden zu finden in dieser unruhigen Zeit. Deshalb wünschen wir allen ganz besonders bewusst-besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen allen Krisen zum Trotz fröhlichen Rutsch in ein hoffentlich gutes 2017.

Mit den beiden unten stehenden Texten – die sich vielleicht widersprechen oder vielleicht doch ergänzen – möchten wir zum Nachdenken anregen. Das Wort “Haltung” wurde dieses Jahr häufig verwendet – “Standhaftigkeit” nennt es Schwester Josefa. Das wünschen wir uns und Ihnen und der ganzen Welt für das kommende Jahr.

Herzliche Grüße aus Schlehdorf
vom KlosterGut Team

RICHTIG ODER FALSCH?

Von Josefa Thusbaß, Kloster Schlehdorf

“Nahezu rund um die Uhr kann man sich im Fernsehen an Quizsendungen vergnügen, deren prickelndes Ziel darin besteht, Gewinner oder Verlierer zu erzeugen – Glück für den Gewinner, Pech für den Verlierer! Diese Alternativlosigkeit bestimmt sehr viele – viel zu viele – Bereiche unseres Lebens.  Sie ist hart und unbarmherzig und sie ist nicht dem System des Lebens abgeschaut. Leben lässt sich nicht in richtig oder falsch einteilen. Leben ist auf eine aufregende Weise viel Versuch, manchmal Irrtum  und dann und wann auch Erfolg –  „trial and error“ heißt das auf neudeutsch. Mit dieser Methode war das Leben auf unserer Erde bis jetzt sehr erfolgreich.

Bei der Verleihung des Karlspreises an Papst Franziskus kürzlich wurde ein Satz des persischen Philosophen ar-Rumi zitiert: „Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort, da treffen wir uns!“. Dort, an so einem Ort, jenseits von Beurteilung und Verurteilung,  könnte man in Ruhe der sein, der man ist und zugleich dem Andersartigen ohne Vorbehalt begegnen, es wertschätzen und manches davon selbst ausprobieren.  Die wechselvolle Menschheitsgeschichte zeugt weitaus öfter von solchem erfolgreichen „Sich-Beschnuppern“ als die aufgelisteten Kriege in den Geschichtsbüchern es annehmen lassen. Aber leider –  das Herunterklappen des Visiers und das drohende Säbelrasseln gaukeln uns zu oft vor, den einzig richtigen Ausweg aus der Krise gefunden zu haben, vor allem dann, wenn es uns im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen hat

Für so eine Standhaftigkeit – in Krisenzeiten im respektvollen Gespräch zu bleiben und nicht auf den verlockenden Weg einer Gewaltlösung auszuweichen – braucht es einen starken und mutigen Geist, es braucht heiligen Geist.”

DAS PARADOX DER TOLERANZ

“Weniger bekannt ist das Paradox der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.

Damit wünsche ich nicht zu sagen, dass wir z. B. intolerante Philosophien auf jeden Fall gewaltsam unterdrücken sollten; solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können, wäre ihre Unterdrückung sicher höchst unvernünftig. Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken; denn es kann sich leicht herausstellen, dass ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen; sie können ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente – die sie ein Täuschungsmanöver nennen – zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten.

Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.”

Sir Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde